Sie vereint technisches Know-how mit strategischer Weitsicht, spricht fließend die Sprache der Energie und hat ein feines Gespür für gesellschaftliche Verantwortung: Valerie Hillebrand ist mehr als nur ein Gesicht der Immobilien- und Bauwelt – sie ist eine Gestalterin der Transformation. Als Kommunikations- und Akquisitionsexpertin bei beyond carbon energy, Vorständin im Frauennetzwerk Salon Real und Brückenbauerin zwischen den Generationen bringt sie Perspektiven zusammen, die sonst oft nebeneinanderstehen. Im Gespräch mit ihr wird schnell klar: Zukunft entsteht dort, wo Verantwortung nicht nur gefordert, sondern bewusst gelebt wird.
Ein Interview über Mut zur Veränderung, systemisches Denken und die Kraft starker Netzwerke.
Valerie, du bist wortwörtlich in der Immobilien- und Bauwelt aufgewachsen. Was hat dich geprägt – und wann wusstest du: Das ist meine Branche?
Baustellen haben mich früh geprägt, weil dort sichtbar wird, was Verantwortung wirklich bedeutet. Entscheidungen bleiben nicht theoretisch, sie zeigen sich am Ende als Gebäude, als Räume, als Lebensrealität für viele Menschen. Dieses direkte Zusammenspiel aus Handwerk, Planung, Verlässlichkeit und Wirkung hat mich begeistert und neugierig gemacht.
Der Moment der Klarheit kam, als ich verstanden habe, dass die Bau- und Immobilienwirtschaft nicht nur Räume schafft, sondern ein zentraler Hebel für Energieverbrauch, CO₂-Emissionen und sowie ökologische Stabilität ist. Das ist eine Menge Verantwortung gegenüber uns allen. Kaum eine Branche formt unsere Zukunft so unmittelbar. Genau deshalb war für mich klar. Wenn Transformation ernst gemeint ist, dann beginnt sie genau hier.
In deinem Werdegang begegnen sich Technik, Kommunikation und Nachhaltigkeit. Was hat dich besonders daran fasziniert, die „Sprache der Energie“ in der Immobilienbranche zu sprechen?
Energie ist kein technisches Randthema. Sie ist das operative Herz jeder Immobilie und gleichzeitig ein geopolitischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Faktor. Wärme, Kälte und Strom entscheiden nicht nur über Betriebskosten, Komfort und CO₂-Bilanzen, sondern über Resilienz, Abhängigkeiten, Investitionssicherheit, Taxonomiefähigkeit sowie nachhaltigen Immobilienwert.
Wer Energie wirklich verstehen möchte, denkt Immobilien nicht mehr als einzelne Assets, sondern als Teil eines vernetzten Standort-, Infrastruktur- und Versorgungssystems. Genau diese Systemlogik fasziniert mich. Weil sie Technik, Regulierung und gesellschaftliche Verantwortung in einem einzigen Wirkungsraum zusammenführt.
Du hast in vergleichsweise kurzer Zeit viele Rollen eingenommen – von der Markenstrategie über Projektentwicklung bis hin zur Unternehmenskommunikation im ESG-Bereich. Gab es einen Schlüsselmoment, der deinen Weg besonders beeinflusst hat?
Es waren weniger einzelne Ereignisse als vielmehr prägende Menschen. Meine Führungskräfte und Mentoren, die mir sehr direkt gespiegelt haben, wo fachliche und persönliche Entwicklung notwendig ist. Gerade diese Klarheit, auch wenn sie manchmal unbequem war, hat meinen Weg am stärksten vorangetrieben. Diese Erfahrungen haben geschärft, worauf es im Kern ankommt. Nicht auf Titel oder formale Rollen, sondern auf Wirkung, Haltung und Substanz, maßgeblich gegenüber der Sache.
Heute leitest du die Kommunikation und Akquisition bei beyond carbon energy. Was waren bisher die größten Herausforderungen – und worauf bist du besonders stolz?
Die größte Herausforderung liegt in der Übersetzung zwischen drei Welten. Hochkomplexe Energietechnologie, massiv steigender regulatorischer Druck und sehr konkrete wirtschaftliche Investitionsentscheidungen. Eigentümer stehen heute gleichzeitig vor steigenden Energiekosten, CO₂-Risiken im Bestand, Brown-Asset-Gefahr, EU-Taxonomie und wachsenden Anforderungen von Banken, Investoren und Nutzern.
Was besonders gut funktioniert, ist der integrierte Ansatz. Technologie, Wirtschaftlichkeit und Regulierung werden nicht getrennt betrachtet, sondern als ein System. So entstehen Lösungen, die Dekarbonisierung nicht als Kostenproblem, sondern als langfristige Wert- und Risikostrategie für Immobilien im Bestand und Neubau möglich machen.
Dein beruflicher Hintergrund ist beeindruckend breit gefächert – von Baugrundlagen über Wirtschaftspsychologie bis hin zu strategischer Unternehmensführung. Wie nutzt du diese Vielfalt heute ganz konkret im Arbeitsalltag?
Die Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Entscheidungen im Immobilien- und Energiesektor erfordern heute weit mehr als fachliche Expertise. Sie verlangen die Fähigkeit, technische, wirtschaftliche, regulatorische, ESG- und nutzerbezogene Aspekte gleichzeitig mitzudenken. Diese Dimensionen wirken längst nicht mehr getrennt, sondern als integriertes System.
Genau hier wird interdisziplinäres Denken zur Schlüsselkompetenz. Ich nutze meinen Hintergrund, um Entscheidungen von Beginn an ganzheitlich aufzusetzen. Diese Perspektive macht komplexe Zusammenhänge klarer, Risiken früher sichtbar und Lösungen insgesamt tragfähiger.
Die Realität ist: Zukunftsfähige Immobilien entstehen dort, wo Perspektiven konsequent miteinander verbunden werden, nicht dort, wo sie nur nebeneinanderstehen.
Du beschreibst Energie als „elementare Kraft“, die technologische und gesellschaftliche Verantwortung verlangt. Wie gelingt es dir, diese Perspektive in klassische Immobilienprojekte zu integrieren?
Diese Perspektive wird wirksam, wenn Energie in Immobilienprojekten nicht mehr als technische Nebenfrage der Gebäudetechnik behandelt wird, sondern als strategische Grundsatzentscheidung. Bereits in der Standort- und Bestandsanalyse wird geprüft, wie ein Gebäude langfristig mit erneuerbarer Wärme und Kälte versorgt werden kann, welche Rahmenbedingungen dafür gelten und wer über den Lebenszyklus Verantwortung trägt.
Darauf aufbauend entstehen belastbare Varianten, in denen Energiesystem, Wirtschaftlichkeit, Förderlogiken, regulatorische Anforderungen und künftiger Betrieb gemeinsam gedacht und bewertet werden. So wird Energie vom technischen Detail zum zentralen Treiber für Wertentwicklung, Betriebssicherheit und Klimawirkung und damit tatsächlich zur „elementaren Kraft“ eines Projekts.
Wo siehst du aktuell die größten Hebel, um in der Bau- und Immobilienbranche wirklich nachhaltige Veränderungen zu erzielen?
Der erste große Hebel liegt in der konsequenten Nutzung regenerativer Standortenergien. Sie entkoppeln Immobilien langfristig von globalen Krisen, von volatilen Energiemärkten, geopolitischen Abhängigkeiten und fossilen Energieträgern wie Öl und Gas. Damit wird Versorgungssicherheit zur strategischen Standortqualität.
Der zweite Hebel ist die Dekarbonisierung des Gebäudebestands, insbesondere in den urbanen Ballungsräumen. Hier liegt der größte Handlungsbedarf. Gleichzeitig braucht es dafür klare gesetzliche Rahmenbedingungen für den schrittweisen Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen. Ohne verbindliche Zielpfade bleibt Transformation zu langsam.
Der dritte Hebel liegt auf organisatorischer Ebene. Energie und Immobilie dürfen kein Nebenschauplatz voneinander sein. Solange beide Systeme getrennt geplant und gesteuert werden, entstehen Einzeloptimierungen statt systemischer Lösungen. Entscheidend ist eine gemeinsame Verantwortung über alle Gewerke hinweg.
Und schließlich braucht es Generationenverantwortung. Transformation ist kein kurzfristiges Projekt, sondern ein gemeinsamer Übergang. Das Wissen der Erfahrenen muss aktiv genutzt und mit neuen Perspektiven verbunden werden. Genau in dieser Verbindung entstehen tragfähige Lösungen für die Zukunft.
Als Vorständin im Salon Real setzt du dich aktiv für Frauen in der Immobilienbranche ein. Welche Entwicklung beobachtest du aktuell – und wo braucht es aus deiner Sicht noch deutlich mehr Bewegung?
Frauen haben die Immobilienbranche bereits seit Jahrzehnten mitgestaltet. Was sich aktuell stark weiterentwickelt, ist die Sichtbarkeit. Durch digitale Kanäle, neue Formate und stärkere Vernetzung wird Expertise heute öffentlich, teilbar und nachvollziehbar. Frauen übernehmen Verantwortung nicht nur operativ, sondern zunehmend auch strategisch und positionieren ihre Kompetenz gezielt innerhalb des Netzwerkes sowie nach außen.
Gleichzeitig beobachte ich eine große Wertschätzung zwischen den Generationen. Erfahrung, Haltung und Wissen werden bewusst weitergegeben, anstatt verloren zu gehen. Dieser Dialog zwischen den Generationen ist eine enorme Stärke für die Branche.
Mehr Bewegung braucht es dort, wo strukturelle Hürden Verantwortung noch bremsen, um den Branchendialog in der Immobilien- und Bauwirtschaft auf Augenhöhe voranzutreiben.
Was bedeutet für dich „Netzwerk“ – und was unterscheidet ein starkes Frauennetzwerk wie Salon Real von klassischen Business-Clubs?
Salon Real wurde 2009 gegründet mit dem klaren Ziel, die Sichtbarkeit, Wirksamkeit und Chancengleichheit von Frauen in der Immobilien- und Bauwirtschaft nachhaltig zu stärken. Heute vernetzt der Verein rund 240 Frauen in Führungspositionen in ganz Österreich und versteht sich als Plattform für Female Empowerment und fachliche Exzellenz.
Für mich bedeutet Netzwerk nicht das Sammeln von Kontakten, sondern geteilte Verantwortung. Was Salon Real besonders macht, ist die aktive Brückenbau-Rolle. Wissen und Erfahrung werden nicht verwaltet, sondern gezielt weitergegeben. Etwa über das Mentoring-Programm, das 2018 gestartet ist und sich aktuell bereits in der achten Runde befindet. Gleichzeitig fließt das Wissen der jüngeren Generationen bewusst zurück. Es ist ein beidseitiger Lernprozess.
Es geht nicht um lose Netzwerke, sondern um aktive Rollen, klare Programme und echte Wirksamkeit. Am Ende steht eine gemeinsame Haltung: miteinander Brücken bauen, auf Augenhöhe agieren und gemeinsam Verantwortung für die Herausforderungen unserer Zeit und Zukunft übernehmen zwischen Frauen innerhalb und außerhalb des Netzwerks, zwischen Generationen und weit über den Salon hinaus.
Gibt es eine Begegnung oder Initiative aus deiner Vorstandsarbeit, die dich persönlich besonders inspiriert oder berührt hat?
Mich hat besonders berührt, wie positiv die neue Diversität im Vorstand aufgenommen wurde. Wie viele Frauen aus meiner Generation sich dadurch angesprochen fühlen, Verantwortung übernehmen wollen und aktiv mitwirken möchten, und gleichzeitig, wie geschlossen auch die bestehenden Mitglieder diesen Weg mittragen.
Das zeigt mir ein echtes Wohlwollen gegenüber der Zukunft. Es geht nicht um einzelne Personen oder Egos, sondern um die gemeinsame Sache, hinter der man steht und die man weiterentwickeln will. Für mich verkörpert das vor allem das Mentoring-Programm.
Du sprichst oft davon, deine Generation verbinden zu wollen – mit dem Wissen der Vergangenheit und den Anforderungen von morgen. Wie gelingt dir dieser Brückenschlag konkret?
Der Brückenschlag gelingt dort, wo Erfahrung nicht archiviert, sondern aktiv eingebunden wird. In konkreten Formaten, in denen diejenigen, die die Branche aufgebaut haben, mit jenen arbeiten, die sie gerade neu denken.
Es geht darum, Wissen nicht zu bewerten, sondern wirksam zu machen für heutige Entscheidungen in Energie, Immobilien und Führung. Wenn Erfahrung in neue Systeme übersetzt wird und neue Perspektiven echte Verantwortung bekommen, entsteht Zukunftsfähigkeit. Genau dort entsteht die Brücke.
Wenn du auf deinen bisherigen Weg zurückblickst: Was hättest du deinem jüngeren Ich am Anfang der Karriere gerne mit auf den Weg gegeben?
Rückblickend würde ich meinem jüngeren Ich nichts ersparen. Jede Unsicherheit, jeder Umweg und jede Reibung waren notwendig, um das heutige Verständnis, den Weitblick und die innere Klarheit zu entwickeln.
Was mich heute antreibt, ist genau daraus entstanden. Frauen nicht nur zu motivieren, Verantwortung zu übernehmen, sondern sie darin zu stärken, ihren Platz in dieser Branche selbstbewusst einzufordern. Nicht aus Anpassung heraus, sondern aus Überzeugung. Mit fachlicher Tiefe, strategischer Klarheit und Haltung für das, was wir bereits wissen und noch vor uns liegt. Und vor allem für die, die nach uns kommen.
Und zum Abschluss: Wofür möchtest du – als Frau, als Kommunikationsprofi, als Energie-Enthusiastin – in der Branche stehen?
Für die Verbindung von Immobilie, Energie und Natur. Nicht als Idealbild, sondern als neue Realität für eine zukunftsfähige Branche.
Für einen Branchendialog auf Augenhöhe, der von Frauen und Männern gemeinsam vorangetrieben wird. Nicht das Geschlecht ist entscheidend, sondern die Perspektivenvielfalt. In einer Welt, deren Zeitgeist sich spürbar zu mehr Verbindung, Kooperation und gemeinsamer Verantwortung hinbewegt.
Für Brücken zwischen den Generationen, um Erfahrung und neue Perspektiven zu verbinden, und so aktiv Verantwortungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu übernehmen.
Vielen Dank für die spannenden Insights. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und Freude.
Steckbrief: Persönliche Fragen an Valerie
Wo und wie tankst du Energie?
Im Ausdauer- und Kraftsport. Und in meinen eigenen Classes, die ich coache. Die Energie der Menschen kommt direkt zurück, das pusht mich extrem.
Lieblingspodcast?
Kein fixer Favorit. Ich höre situativ nach Thema. Musik ist bei mir immer an.
Mit welcher Persönlichkeit – tot oder lebendig – würdest du gerne einmal zu Abend essen?
Paulo Coelho
Ein Buch, das dich beruflich oder persönlich geprägt hat?
„Nur wer sichtbar ist, findet auch statt“ von Tijen Onaran
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